Sonntag, 21. August 2016

Die besten Linux-Distributionen für alte Hardware - PC-WELT

Es gibt keine Hardware, für die nicht ein funktionierendes Linux bereitstünde. Für alte Hardware die richtige Rolle, für eine geplante Rolle die richtige Platine und das passende System zu finden, ist trotzdem kompliziert.

Für eine praxisnahe Darstellung hätte fast jeder der nachfolgend genannten Aspekte seinen eigenen Workshop verdient. Dieser Einstiegsbeitrag zum produktiven Recycling, Upcycling und Optimieren von Altgeräten und Minirechnern soll daher nur die grundlegenden und wesentlichsten Aspekte ansprechen, um zu zeigen, was mit alter Hardware eigentlich noch möglich ist.

Einschränkungen bei sehr alter Hardware

Ab einer CPU Pentium III oder AMD Athlon und einem Arbeitsspeicher ab 256 MB finden Sie in jedem Fall eine Linux-Distribution, die der Hardware angemessen ist.

Jedoch birgt das Unterfangen, alten Notebooks und PCs neues Leben einzuhauchen, zahlreiche Fallstricke. Folgende Hindernisse sollten Sie bereits vorher einkalkulieren:

Genügt die Leistung (CPU, I/O-Schnittstellen) tatsächlich für den beabsichtigten Einsatzzweck? Dies ist oft nur durch Ausprobieren zu verifizieren. Generell ist davon abzuraten, deutlich mehr als zehn Jahre alte Rechner ausgerechnet als Surfstation zu planen. Selbst bescheidene Linux-Browser wie Midori überfordern alte Einkern-CPUs unter einem GHz sowie den Grafikadapter.

Ist der Stromverbrauch des Altgeräts für den Dauerbetrieb tolerierbar? Ein PC-Veteran wird kaum unter 60 bis 70 Watt verbrauchen, Notebook-Oldies liegen bei 40 bis 45 Watt. Hier hat sich im letzten Jahrzehnt viel getan. Mit neuen Platinen, Mini-PCs und Netbooks kommt man auf fünf bis maximal 20 Watt.



Welche Betriebsgeräusche verursacht das Altgerät? Die Frage spielt keine Rolle, wenn das Recycling in einer Server-Rolle im Keller stattfindet, aber im Wohnzimmer sind surrende Lüfter und singende Festplatten definitiv fehl am Platz.

Wie steht es um die Bootfähigkeit des Geräts? Altrechner sind oft nicht bootfähig über USB. Wenn dann auch kein funktionierendes optisches Laufwerk vorliegt, wird es definitiv eng. Puppy Linux bietet bei der Installation von sich aus einen Notbehelf, trotz Unfähigkeit des Bios von USB zu booten („BootFlash USB-Installer“). Der Plop-Bootmanager leistet USB-Starthilfe, sofern ein DVD-Laufwerk vorliegt und der Rechner zunächst einmal davon booten kann.

Welche Peripherie soll genutzt werden – und gibt es dafür Treiber? Probleme mit dem Grafikadapter lassen sich zumeist durch Startoptionen wie „Safe Video Mode“ oder ähnlich korrigieren. Schwieriger und bisweilen aussichtslos wird es, wenn exotische Soundkarten und WLAN-Adapter genutzt werden sollen und ein Austausch der Hardware nicht in Frage steht, weil das Motiv des Recyclings eben der Erhalt dieser Komponenten ist.

Wie steht es um CPU-Erweiterungen wie MMX, SSE, SSE2? Die bei Linuxern wohlbekannte CPU-Erweiterung PAE (dazu unten mehr) ist längst nicht die einzige Hürde beim Recyceln alter Rechner. Mit unangenehmen Überraschungen ist sogar bei Oldie-spezialisierten Linux-Systemen zu rechnen: So verweigert etwa der Standard-Browser (Palemoon) von Puppy Tahr kommentarlos den Start, wenn der CPU die Erweiterung SSE2 fehlt. Im genannten Beispiel hilft ein Midori-Browser weiter, wird aber unter solchen und ähnlichen Umständen kein akzeptables Surferlebnis bereiten. MMX, SSE, SSE2 und viele weitere CPU-Eigenschaften lassen sich vorab mit dem Analyseprogramm HDT gut diagnostizieren.

azit: Auch auf Hardware vor und um die Jahrtausendwende bringen Sie gewiss noch ein Linux zum Laufen (Kandidaten folgen unten), aber es wird schwierig, dafür eine sinnvolle Rolle zu finden. Internetsurfen scheidet nahezu aus, und die Schwelle für einen Daten-Server liegt etwa bei 512 MB RAM und einem CPU-Takt von einem GHz. Das weiter unten vorgestellte NAS-System Open Media Vault fordert bereits mehr (ab ein GB RAM). Der Einsatz eines Veteranen als Desktop-System ist nur in einer eng spezialisierte Rolle sinnvoll – etwa als MP3-Abspielstation.

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Systeme für Non-PAE-CPUs

Die nachfolgend kurz vorgestellten Linux-Distributionen Antix, Puppy Linux und Bodhi Linux sind Minimalisten und eignen sich generell für ältere Hardware. Falls eine CPU mit PAE vorliegt, nehmen Sie davon einfach die normale Variante. PAE ist eine Prozessorerweiterung und steht für Physical Address Extension: Diese befähigt ältere 32-Bit-CPUs, mehr als vier GB RAM zu adressieren. PAE wurde schon Mitte der 90er-Jahre beim Pentium Pro und AMD Athlon eingeführt, jedoch baute Intel noch bis 2005 Mobilprozessoren ohne PAE (Pentium M, Celeron M). Aktuelle Linux-Systeme bringen einen Kernel mit, der CPUs mit PAE voraussetzt und andernfalls erst gar nicht bootet. Die Frage „PAE oder Non-PAE?“ ist daher (ungeachtet des tatsächlich verbauten Speichers) bei älteren Geräten stets vorab zu klären. Das bereits genannte HDT zeigt auch das PAE-Flag an. Alternativ gibt in einem laufenden Linux-System dieser Terminal-Befehl die gesuchte Antwort:
grep --color pae /proc/cpuinfo


Bleibt die Ausgabe leer, hat der Prozessor kein PAE. Für Geräte ohne PAE gibt es folgende Spezialisten, die einen Non-PAE-Kernel mitbringen.

Puppy Linux : Die Puppy-Systeme bieten mehrere Varianten für Altrechner, wenn Sie sich von der Projektseite zu den Downloads führen lassen und dort ein Image mit dem Stichwort „no-pae“ wählen. Da die Puppy-Familie etwas unübersichtlich ist, verweisen wir exemplarisch auf die betreffende Download-Seite für Puppy Tahr 6.0.2 auf distro.biblio.org . Alle Puppy-Varianten (Tahr, Quirky, Slacko) sind extrem anspruchslos. Das System nimmt sich bei geringer RAM-Kapazität nur 50 bis 60 MB, als CPU genügt theoretisch schon ein 400-MHz-Takt.

Puppy startet mit einem putzig-verspielt wirkenden Desktop, der aber im Kern erzkonservativ aus einem simplen Startmenü und zahlreichen Desktop-Startern besteht. Die „Installation“ auf die Festplatte (Puppy bleibt auch dort ein Live-System) und Einrichtung sind umständlicher, als man das etwa von Ubuntu & Co. gewöhnt ist. Die englischsprachigen Infos sind allerdings überall vorbildlich – bei der Installation wie im Alltagsbetrieb. Das Nachrüsten von Software mit dem Puppy Package Manager ist ebenfalls einfach. Ungeachtet einer spröden Bedienung hat Puppy Linux über zehn Jahre Entwicklung hinter sich und ist nicht nur der reifste, sondern auch – gefühlt –schnellste Minimalist.

Antix : Antix hat sich als System für das Altrechner-Recycling spezialisiert und bietet konsequenterweise auch eine Non-PAE-Variante . Theoretisch reichen dem System eine Pentium-II-CPU und 128 MB Speicher. Antix ist kein Live-System wie Puppy, sondern nach der Installation aus dem Live-System auf die Festplatte ein komplettes Debian-basiertes System mit allen Anpassungsmöglichkeiten. Dabei sieht Antix keineswegs „antik“ aus und kann mit Windows-Versionen, die auf solcher Hardware laufen, allemal mithalten. Die Software-Ausstattung ist für alle Alltagsaufgaben gerüstet, die Paketverwaltung allerdings gewöhnungsbedürftig: Das Nachinstallieren von Software mit dem „MX-Paket-Installer“ erfordert etwas Einarbeitungszeit.

Bodhi Linux : Auf der Sourceforge-Downloadseite von Bodhi finden Sie ein ISO-Image mit dem Namen „bodhi-3.1.0-legacy.iso“. Dieses ist einschlägig für Altrechner ohne PAE, wenngleich an dieser Stelle klärende Hinweise zu dieser Tatsache fehlen. Bodhi läuft angeblich schon mit 128 MB und einer 300-MHz-CPU. Auf unserem Test-Netbook mit einem GB RAM schlägt Bodhi mit kaum 100 MB zu Buche, mehr als 150 MB sind unter diesen relativ üppigen Bedingungen für das reine System auch im Dauerbetrieb nie zu messen. Mit 512 MB oder einem GB RAM hat Bodhi somit noch richtig Reserven für Anwendungen. Der Bodhi-Desktop „E“ (jetzt als Abspaltung „Moksha Desktop“) ist eine ästhetisch ansprechende und minutiös anpassungsfähige Oberfläche, die sich sogar verspielte Effekte leistet. Ein globales Startmenü ist beim Klick auf den Desktop jederzeit abrufbereit.

Aber Bodhi hat auch Nachteile: So ist ein gemischtsprachiges System in Kauf zu nehmen, und die vorinstallierte Software muss unbedingt ergänzt werden. Hinzu kommen Ungereimtheiten in den unzähligen Einstellungsoptionen. Das ungewöhnliche System ist nur experimentierfreudigen Nutzern zu empfehlen.
Ältere Geräte als Zweit-Desktop und Server

Alle Altgeräte etwa ab Dualcore-und Atom-CPU und einem GB RAM eignen sich hervorragend als Zweit-Desktop oder als Daten-und Medienserver. Auch ARM-basierte Smartphones fallen in diese Kategorie und erweisen sich aufgrund der eingebauten Komponenten als besonders flexibel.

Desktop-Rolle: Beim Einsatz von Notebooks und Netbooks mit den genannten Leistungseigenschaften sind die genannten Minimalisten Puppy & Co. eine leichte Last. Wer einen Zweit-Desktop als Surfstation oder als Einstiegsgerät für einen PC-Anfänger plant, kann etwa ein Antix 15 installieren. Solche Hardware verträgt aber auch problemlos ein etwas schickeres Lubuntu oder Xubuntu . Ein ideales und sparsames Betriebssystem, das für die kleinen Displays von Netbooks geradezu geschaffen ist, ist ferner ein Android für x86-Plattform .

Server-Rolle: Im Unterschied zu alten, lauten und stromfressenden PCs und Notebooks sind jüngere Rechner und insbesondere wieder Netbooks ideale Kandidaten für eine Server-Rolle im Dauerbetrieb. Wer es dabei schick haben will, kann das NAS-System Open Media Vault in seiner x86-Ausführung installieren.

Funktional meist völlig ausreichend und dabei noch deutlich ökonomischer im Ressourcenverbrauch ist ein schlankes Server-System, das Sie auf der Kommandozeile einrichten und per SSH fernwarten. Erste und unkomplizierte Wahl für diesen Einsatz ist ein Debian-System, das es in diversen Varianten zum Download gibt. Wenn Sie auf ein Debian-Live-System zum vorherigen Ausprobieren verzichten können, laden Sie ein Installer-Image von www.debian.org/distrib/netinst für die passende Architektur (i386 oder AMD 64). Dieses schreiben Sie mit dd auf einen USB-Stick, und nach dem Booten auf dem Zielgerät treffen Sie dann alle weiteren Entscheidungen im Debian-Installer. Eine gute Alternative zu Debian ist der Ubuntu-Server .

Kurzanleitung für Samba-Server: Sie brauchen nur drei Dinge für die Konfiguration des Servers via SSH: die IP-Adresse des Servers, das root-Passwort (oder bei Ubuntu dasjenige des bei der Installation eingerichteten Primär-Users) und einen SSH-Client. Unter Windows verwenden Sie dafür Putty , unter Linux diesen Terminal-Befehl:
ssh root@[IP-Adresse]


Nach Eingabe des Passworts sind Sie schon auf dem Mini-Server. Die meisten der nachfolgenden Befehle benötigen Administratorrechte, die Sie als „root“ automatisch besitzen. Mit einem User-Konto müssen Sie jeweils „sudo“ voranstellen. Richten Sie dann mindestens einen normalen User ein:
adduser sepp


Damit Sie mit diesem Konto später auch administrative Aufgabe erledigen können, nehmen Sie das neue Konto in die sudo-Gruppe auf:
usermod -a -G sudo sepp


Dann geht es an das Einbinden und Freigeben der Medien: Schließen Sie das oder die benötigten USB-Laufwerk(e) an. Der Befehl
blkid -o list


listet alle Partitionen dieser Laufwerke auf, die Sie anschließend anhand des angezeigten „device“-Namens in das Dateisystem mounten – etwa:
mkdir /home/sepp/usb1 mount /dev/sda1 /home/sepp/usb1


Der Inhalt der Partition „/dev/sda1“ steht ab sofort im Pfad „/home/sepp/usb1“ zur Verfügung. Nun gilt es nur noch, die Laufwerke im Netz bereitzustellen. Dafür benötigen Sie die Komponente Samba, die mit
apt-get install samba


schnell installiert ist oder anzeigt, das sie bereits vorhanden ist. Nun geben Sie dem vorher eingerichteten User mit
smbpasswd -a sepp


ein Samba-Passwort und geben mit
net usershare add usb1 /home/sepp/usb1/ "" sepp:f


die Daten frei.
Optimaler Einsatz von Platinen

Wenn keine brauchbare Alt-Hardware vorliegt, aber im Haushalt Ausbaubedarf besteht, sind die kleinen Platinenrechner Raspberry & Co. erste Wahl. Die inzwischen zahllosen Raspberry-Nachahmer machen aber die Wahl zur Qual. Prozessor und RAM sind nicht das Problem: Alle mit Dual-und Quadcore-ARM-CPU sowie einem oder zwei GB RAM ausgestatteten Platinen erreichen etwa die Leistung von Intel-basierten Netbooks. Schwierig ist es aber, die ideale Kombination der sonstigen Input/Output-Komponenten zu treffen. So ist es für einen Server-Einsatz wenig hilfreich, wenn die Laufwerke mit schnellem USB 3.0 gelesen werden, aber der Ethernet-Port nur 100 MBit/s durchlässt (Odroid XU3). Umgekehrt finden Sie Platinen und Mini-PCs mit Gigabit-Netzadapter, die aber durch ein USB 2.0 ausgebremst werden (Wandboard Dual/Quad oder Utilite Pro). In der Konkurrenz mit Alt-Hardware, die überwiegend auch mit USB 2.0 und Fast Ethernet auskommt, halten solche Platinen sicher mit. Aber hier handelt es sich um neue Hardware mit offensichtlichen Konzeptmängeln.

Mit stimmigen Komponenten gehört aktuell der Raspberry Pi 2 sicher wieder zu den ersten Empfehlungen (ab circa 40 Euro), ebenso das Odroid U3 mit zwei GB RAM (ab 80 Euro) – sofern ein 100-MBit-Ethernet ausreicht. Einen Platinenrechner mit USB 3.0 und Gigabit-Ethernet sucht man derzeit vergebens. Wer diese Kombination will, landet bei deutlich teureren Intel NUCs und Barebones. Erreichbarer ist eine Kombination aus Gigabit und Sata-Schnittstelle: Dies bietet etwa die Cubox i4 Pro (ab 140 Euro), die sich mit einer Renkforce Docking Station (ab 60 Euro) am eSata-Port und zwei oder drei Festplatten zu einem echten Spitzen-NAS upcyclen lässt.

Die besten Ein-Platinen-PCs im Vergleich


Bei den verfügbaren Betriebssystemen herrscht – anders als bei x86-basierten PCs, Notebooks, Netbooks – bei den ARM-basierten Platinen nicht immer große Auswahl. Das ist ein wichtiger Grund, warum der exzellent unterstützte Raspberry weiter hoch im Kurs steht. Ein Debian/Ubuntu-Serversystem, ein Mediencenter wie Open Elec (XBMC/Kodi), oft auch ein Android-Desktop ist aber praktisch für jede Platine zu finden. Die Einrichtung eines Platinen-Servers via SSH unterscheidet sich nicht von der oben skizzierten Vorgehensweise auf der x86-Plattform.

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